Als Arbeitgeber werden die Unternehmen ihren betroffenen Mitarbeitern mit der erforderlichen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht begegnen. Der Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW) hat seine Mitgliedsverbände über die arbeitsrechtlichen Auswirkungen und Folgen einer Pandemie informiert. Wir gehen davon aus, dass durch besonnenes und koordiniertes Verhalten aller Verantwortlichen die Eindämmung des Virus in den nächsten Wochen gelingt.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen für den Fall, dass Beschäftigte durch das Virus infiziert werden:
Corona-Virus: Was Unternehmen tun sollten
Die Zahl der Infektionen steigt, auch in Deutschland. Auch die Wirtschaft ist von dem Corona-Virus betroffen. Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob sie ihre Beschäftigten weiterhin wie gewohnt einsetzen und sie für Auslandsreisen eingesetzt werden können.
Grundsätzlich rät das Auswärtige Amt zur Vorsicht. Bislang hat es zwar nur eine Teilreisewarnung für die Provinz Hubei ausgegeben. Von nicht notwendigen Reisen in andere Landesteile rät es außerdem ab. Zudem betroffen sind derzeit Südkorea, der Iran und Italien – mit regionalen Schwerpunkten. Das Auswärtige Amt hat hier aktuelle Informationen zur Lage zusammengestellt.
Was gilt für Arbeitnehmer in Deutschland?
Beschäftigte, die nicht erkrankt sind, müssen weiterhin zur Arbeit erscheinen. Gesunden Arbeitnehmern steht kein generelles Recht zur „Leistungsverweigerung“ zu, weil sich die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung z.B. auf dem Weg zur Arbeit oder durch Kontakte am Arbeitsplatz erhöht.
Was müssen Arbeitgeber tun, um Ansteckungen ihrer Beschäftigten zu vermeiden?
Firmen- oder Personalchefs können Beschäftigte, die aus dem Ausland zurückkehren, fragen, ob sie sich an einem Ort mit erhöhtem Ansteckungsrisiko aufgehalten haben. Auch können sie die entsprechende Person zum Arzt schicken, etwa, wenn diese zuvor eine Risiko-Region bereist hat. Arbeitgeber können einen Menschen, der Kollegen oder Kunden anstecken könnte, auch von sich aus von der Arbeit freistellen. Hier genügt schon der Verdacht etwa auf eine Corona-Infektion.
Was kann ich tun, wenn ich glaube, dass Mitarbeiter meines Unternehmens am Corona-Virus erkrankt sein könnten?
Als Verdachtsfälle gelten Patienten, die Symptome einer Corona-Erkrankung aufweisen und sich bis 14 Tage vor Erkrankungsbeginn in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder Kontakt mit einem Erkrankten hatten. Bei einem Verdacht sollte zunächst der arbeitsmedizinische Dienst oder der jeweilige Hausarzt informiert werden. Verdachtsfälle werden dann von dem jeweiligen Arzt dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet. Dieses kümmert sich dann um einen Test auf das Coronavirus.
Müssen freigestellte Arbeitnehmer weiterbezahlt werden?
Den Arbeitgeber trifft in allen Fällen, in denen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Corona-Virus nicht beschäftigt werden, das hohe Risiko einer Vergütungspflicht. Bei einer Freistellung ohne Hinweise auf eine konkrete Gefährdung (z.B. Rückkehr aus gefährdetem Gebiet ohne nachweisbaren Kontakt mit Infizierten) kann die Zahlungspflicht des Arbeitgebers auf Annahmeverzug gestützt sein. In solchen Fällen kann es empfehlenswert sein, Alternativen zur Freistellung in Betracht zu ziehen (z.B. Arbeit im Home-Office). Bei einer Freistellung wegen konkreter Verdachtsfälle auf eine mögliche Infizierung kommt zwar eine Entlastung des Arbeitgebers bezüglich der Vergütungspflicht aus § 326 Abs. 1 BGB in Betracht. Allerdings wird in diesem Zusammenhang verbreitet die Auffassung vertreten, dass sich eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum aus § 616 BGB ergeben kann. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Fälle vorübergehender Arbeitsverhinderung einzelvertraglich oder wie in der M+E-Industrie tarifvertraglich speziell geregelt sind (BAG vom 20.06.1995 – 3 AZR 857/94). Schließlich ergibt sich bei tatsächlicher durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegter Erkrankung von Arbeitnehmern die Entgeltfortzahlungspflicht nach § 3 EFZG.
Was passiert mit Arbeitnehmern, die durch eine Behörde unter Quarantäne gestellt werden oder ein Tätigkeitsverbot erhalten?
Arbeitnehmer, die nicht mehr arbeiten dürfen oder unter Quarantäne gestellt werden, weil sie möglicherweise Krankheitserreger verbreiten, erhalten für den Verdienstausfall eine Entschädigung. Sie wird sechs Wochen lang gezahlt und entspricht dem regulären Entgelt. Dauert die behördliche Maßnahme länger als sechs Wochen, erhalten die Arbeitnehmer eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes, das auch die gesetzliche Krankenkasse zahlen würde. Das sind 70 Prozent des Bruttoentgeltes, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettoentgeltes. Der Arbeitgeber zahl die Entschädigung aus, kann sie sich aber von der Behörde erstatten lassen.
Darf ein Arbeitnehmer eine Dienstreise ins Ausland ablehnen?
Ein Arbeitnehmer darf die Arbeit bzw. eine Entsendung grundsätzlich nicht verweigern. Spricht das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für bestimmte Länder aus, kann die Verweigerung aber rechtens sein. Hält sich ein Beschäftigter bereits im Ausland auf, kann durch die Reisewarnung seine Arbeitspflicht entfallen. Hier kommt es auf den Einzelfall an – ob der Arbeitnehmer im Tourismus tätig ist oder an Orten mit viel Publikumsverkehr und einem entsprechend hohen Ansteckungsrisiko.
Wie müssen Arbeitgeber im Betrieb vorbeugen?
Im Betrieb sollten die Hygieneregeln beherzigt werden, die auch Schutz vor Grippe bieten: Händeschütteln vermeiden, regelmäßig die Hände waschen, mit den Händen nicht ins Gesicht fassen, Husten und Niesen in ein Taschentuch oder in die Armbeuge, Abstand zu anderen Menschen halten, Hände aus dem Gesicht fernhalten, geschlossene Räume regelmäßig lüften. Zusätzlich kann ein Pandemieplan sinnvoll sein, in dem geregelt ist, wie die Gesundheit der Beschäftigten geschützt wird, wer welche Arbeiten übernehmen muss, wann Kurz-, mobile oder Heim-Arbeit erforderlich sind und in welchem Umfang Arbeitnehmer Urlaub nehmen oder Überstunden ausgleichen müssen. Die Deutsche Unfallversicherung hat für einen betrieblichen Pandemieplan Tipps zusammengestellt.
Eine weitere Möglichkeit ist, je nach den betrieblichen Möglichkeiten das Arbeiten im Home-Office zu ermöglichen. Anstelle von Dienstreisen können womöglich auch Videokonferenzen oder Telefonkonferenzen durchgeführt werden.
Was sollen Arbeitgeber tun, wenn der Betrieb nicht mehr weiterarbeiten kann?
Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld infolge eines Arbeitsausfalls aufgrund des Corona-Virus bestehen. Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich verringert sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn aufgrund des Corona-Virus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder staatliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorübergehend geschlossen wird.
Wie immer bei der Kurzarbeit gilt auch hier, dass alles getan werden sollte, um den Arbeitsausfall zu vermeiden (z.B. Urlaub, Überstundenabbau oder Homeoffice), ehe Kurzarbeit beantragt wird.
Wirtschaftspolitische Einschätzung von METALL NRW
Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt die Folgen des Coronavirus bei Weitem noch nicht abschließend einzuschätzen sind, zeichnen sich schon heute erste Lieferengpässe und Auftragseinbrüche in verschiedenen Branchen deutlich ab. Kleine und mittelständische Unternehmen sind von den Auswirkungen besonders hart betroffen. Nach Auffassung des Direktors des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Prof. Michael Hüther, droht gesamtwirtschaftlich sowohl ein Angebots- als auch ein Nachfrageschock. Die Corona-Epidemie würde damit zu einem Stresstest für die nordrhein-westfälische Wirtschaft.
Auch wenn es gilt, durch eine angemessene Kommunikation die Verunsicherung nicht weiter zu erhöhen und damit einen Nachfrageeinbruch noch zu verstärken, ist es dennoch wichtig, aus Sicht der Wirtschaft auf eine schnelle und unbürokratische Unterstützung der betroffenen Unternehmen zu drängen.
Aus unserer Sicht sind dabei insbesondere folgende wirtschaftspolitische Maßnahmen dringend erforderlich:
- Beschäftigungssicherung: Wir fordern eine unverzügliche Reaktivierung der Regelungen – vergleichbar der Krisenjahrgänge 2008/2009 – zur Durchführung der Kurzarbeit, mit einer vollen Erstattung des vom Arbeitgeber in der Kurzarbeit allein zu tragenden Sozialaufwands.
- Liquiditätssicherung: Wir brauchen umgehend ein Programm zur Stabilisierung von Unternehmensliquidität. Dieses kann über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und über die Förderbanken der Länder organisiert werden. Ergänzend sollte die Politik ernsthaft Steuerstundungen und -gutschriften für besonders betroffene Unternehmen in Betracht ziehen.
Die Wirtschaftskrise 2008/2009 hat gezeigt, dass durch rechtzeitiges und entschlossenes Handeln negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt reduziert werden können. Gleichzeitig werden die Unternehmen dadurch in die Lage versetzt, unmittelbar nach der wirtschaftlichen Erholung wieder durchstarten zu können.
Mehr Informationen unter:
https://www.wirtschaft.nrw/coronavirus-informationen-ansprechpartner