Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts D muss jetzt in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfs.
Stimmung in nordrhein-westfälischer Metall- und Elektroindustrie auf dem Tiefpunkt.
Die Stimmung in den Unternehmen der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie zum Jahreswechsel 2024/25 hat sich gegenüber der ohnehin schon düsteren Gemütslage im Vorjahr nochmals klar verschlechtert. Sowohl die aktuelle Wirtschaftslage als auch die Erwartungen für die nächsten Monate werden mit großer Mehrheit noch pessimistischer eingeschätzt. Dies ist das Ergebnis einer in Düsseldorf vorgelegten aktuellen Konjunkturumfrage des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW) zum Jahreswechsel 2024/2025, an der 369 Betriebe mit fast 90.000 Beschäftigten dieses Industriezweigs teilgenommen haben. Die darin abgebildeten Branchen sind unter anderem der Maschinenbau, die Elektroindustrie, der Automobilbau, Hersteller von Metallerzeugnissen, die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Gießereien.
Der Präsident von METALL NRW, Arndt G. Kirchhoff, bezeichnete die Ergebnisse der Umfrage seines Verbandes als „bitteres Resultat einer in weiten Teilen politisch hausgemachten tiefen Wettbewerbsfähigkeitskrise des Industriestandorts Deutschland“. Er könne sich nicht erinnern, in der Unternehmerschaft eine derartige Mischung aus Enttäuschung, Ratlosigkeit und Unverständnis über weite Teile der Politik in diesem Land erlebt zu haben. „Der Vertrauensverlust in die Politik ist beträchtlich. Die gescheiterte Ampel in Berlin hat ungeachtetet aller Warnungen aus der Wirtschaft entweder tatenlos zugesehen oder völlig falsche wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen getroffen“, sagte Kirchhoff. In der Folge sei dieses Land inzwischen bei den wichtigsten für Investitionen in Innovationen und Arbeitsplätze entscheidungsrelevanten Standortfaktoren international nicht mehr konkurrenzfähig. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl im Februar erwarte er, dass die wirtschafts- und vor allem industriepolitische Debatte in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gerückt werde. Es müsse jetzt in die Köpfe, dass die Stärkung von Wirtschaft und Industrie keine Erfüllung von Unternehmerwünschen, sondern unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung und Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen sei. „Jedem muss jetzt bewusst sein, dass der Wohlstand dieses Landes auf dem Spiel steht“, sagte Kirchhoff.
Größtes Hindernis bleibt nach wie vor die ungelöste Energiefrage. Deutschland liege in der Belastung bei Stromkosten und Netzentgelten an der Weltspitze, überdies sei mittelfristig die Versorgungssicherheit mit Energie gefährdet. Einen Vorgeschmack darauf böten die gegenwärtigen Versorgungs- und Preisschwankungen durch plötzlich auftretende Dunkelflauten. „Dass die Politik hier über viele Jahre hinweg alle Warnungen insbesondere aus der Industrie kleingeredet und vor allem in Ausstiegs- (Kernkraft, Kohle) und nicht in Einstiegsszenarien gedacht hat, hat der Industrienation Deutschland schweren Schaden zugefügt“, erklärte der Metallarbeitgeberpräsident. Die Unternehmen benötigten hier endlich absolut verlässliche Perspektiven, sowohl bei den Kosten als auch bei der Versorgungssicherheit. „Das Energiethema bleibt die Kardinalfrage, ob Deutschland und damit auch Nordrhein-Westfalen ein Industrieland bleibt oder nicht. Nur wenn dies gelöst wird, sehe ich wirklich Chancen für einen nachhaltigen Stimmungsumschwung. Sonst wird hier nicht mehr investiert mit der Folge einer weitreichenden De-Industrialisierung“, so Kirchhoff.
Nach Worten des NRW-Metallarbeitgeberpräsidenten machten den M+E-Unternehmen zudem hohe Steuern und Abgaben, steigende Lohnzusatzkosten, lähmende Bürokratie und quälend lange Planungs- und Genehmigungsverfahren schwer zu schaffen. Dies alles treffe die Betriebe inmitten einer großen Ungewissheit über die globale Wirtschaftsentwicklung in einer schwierigen geopolitischen Lage. Der im November mit der IG Metall vereinbarte Tarifabschluss schaffe immerhin Kalkulations- und Planungssicherheit und bürde den Unternehmen für 2024 keine und für 2025 gerade noch vertretbare zusätzliche Lasten auf. Die Tarifpolitik sei allerdings überfordert, die derzeit schweren wirtschaftspolitischen Versäumnisse der Politik komplett auszugleichen. Ihm bereite Sorge, dass immer mehr Betriebe weiteren Personalabbau ankündigten und gleichzeitig die Einstellungsbereitschaft weiter zurückgehe. „Es wird höchste Zeit, dass sich was dreht“, betonte Kirchhoff.
Große Sorge bereite ihm überdies der erneute Einbruch der Investitionstätigkeit, so der NRW-Metallarbeitgeberpräsident. „Wenn 44 Prozent unserer Unternehmen ihre Investitionstätigkeit im Inland weiter drosseln wollen, dann muss allein das schon die Politik jetzt aufrütteln“, erklärte Kirchhoff. Schon zum Jahreswechsel 2023/24 sei die inländische Investitionsbilanz klar im Minus gewesen. Sollte sich dieser Trend verfestigen, sei ein massiver Wohlstandsverlust mit erheblichen Folgen auch für die Sozialsysteme absehbar. Wenn investiert würde, dann eher im Ausland. Die Politik müsse endlich begreifen, dass es nicht um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern des Standorts Deutschland gehe.“ Kirchhoff wörtlich: „Ich kann mich nur wiederholen: Die Politik muss jetzt dringend alles unterlassen, was die Industrie schwächt und alles unternehmen, was sie stärkt.“
Die Ergebnisse der METALL-NRW-Umfrage im Einzelnen:
Geschäftslage: Mit der Wirtschaftslage ist die nordrhein-westfälische M+E-Industrie sehr unzufrieden, die aktuelle Beurteilung fällt noch schlechter aus als noch vor Jahresfrist: Gerade mal 15 Prozent der befragten Unternehmen bezeichnen ihre gegenwärtige Geschäftslage als „gut“ (2023/24: 19 Prozent). Derweil ist fast die Hälfte der Betriebe (48 Prozent) mit der aktuellen Lage „unzufrieden“ (2023/24: 38 Prozent).
Geschäftserwartungen: Noch pessimistischer sehen die Betriebe die Geschäftsperspektiven für die nächsten sechs Monate. 40 Prozent erwarten rückläufige Geschäfte (2023/24: 41 Prozent), nur 5 Prozent erwarten eine Besserung (2023/24: 9 Prozent).
Auftragslage: Auch die aktuelle Auftragslage lässt zu wünschen übrig, das Vorjahresniveau wird deutlich unterschritten.
Die Ordertätigkeit aus dem Inland bezeichnen 8 Prozent als „gut“ (2023/24: 16 Prozent), demgegenüber 57 Prozent als „schlecht“ (2023/24: 47 Prozent).
Die Nachfrage aus dem Ausland bewerten 15 Prozent der Betriebe als „gut“ (2023/24: 22 Prozent), dagegen 47 Prozent als „schlecht“ (2023/24: 42 Prozent).
Auftragserwartungen: Auch der Blick nach vorn ist wenig verheißungsvoll. Die Erwartungen bei den Bestellungen haben sich im Vorjahresvergleich verschlechtert.
Bei den Inlandsaufträgen rechnen nur 6 Prozent mit einer Verbesserung (2023/24: 7 Prozent). An eine Verschlechterung glauben derzeit 40 Prozent (2023/24: 42 Prozent).
Bei den Auslandsorders erwarten immerhin 13 Prozent in den kommenden sechs Monaten eine Verbesserung (2023/24: 14 Prozent). Mit einer Verschlechterung rechnen 31 Prozent (2023/24: 29 Prozent).
Ertragslage: Auch die Ertragslage hat sich deutlich eingetrübt. Während die Zahl der Betriebe, die ihre Erträge als „gut“ bezeichnen, auf 13 Prozent gesunken ist (2023/24: 20 Prozent), hat sich die Zahl der Unternehmen, die ihre Ertragslage als „schlecht“ bewerten, auf 48 Prozent deutlich erhöht (2023/24: 35 Prozent).
Ertragserwartungen: Der Blick auf die Erträge der nächsten sechs Monate ist in der nordrhein-westfälischen M+E-Industrie noch skeptischer als die Lagebeurteilung. Mit einer rückläufigen Ertragsentwicklung rechnen 41 Prozent (2023/24: 46 Prozent), mit einer Verbesserung nur noch 7 Prozent (2023/24: 9 Prozent).
Investitionen: Sinkende Nachfrage und schwache Ertragslage sowie die hohen Energiepreise machen sich auch bei den Investitionsplänen der Unternehmen bemerkbar.
Im Inland wollen nur 14 Prozent der Betriebe ihre Investitionen ausweiten, im Vorjahr waren es noch 18 Prozent. Dagegen wollen 44 Prozent der Firmen ihre Investitionen zurückfahren (2023/24: 41 Prozent).
Im Ausland planen wie schon im Vorjahr 18 Prozent mit zunehmenden Investitionen, demgegenüber beabsichtigen 31 Prozent (2023/24: 33 Prozent), ihre Investitionen zu drosseln.
Beschäftigung: Angesichts der mit Blick auf das nächste Halbjahr größer werdenden Unsicherheit durch vielfältige Risikofaktoren werden die Unternehmen im wichtigsten Industriezweig Nordrhein-Westfalens auch bei der Beschäftigung noch vorsichtiger.
Neueinstellungen: Während in den vergangenen sechs Monaten 16 Prozent der Betriebe Neueinstellungen meldeten, planen dies für das nächste Halbjahr nur noch 9 Prozent. Vor einem Jahr lagen die Vergleichswerte noch bei 25 Prozent (2. Halbjahr 2023) und 15 Prozent (1. Halbjahr 2024).
Beschäftigungsabbau: In den vergangenen sechs Monaten haben 27 Prozent der Unternehmen Beschäftigung abgebaut, für die nächsten sechs Monate planen 31 Prozent mit einer rückläufigen Beschäftigung. Vor Jahresfrist waren die Vergleichswerte mit 15 Prozent (2. Halbjahr 2023) und 19 Prozent (1. Halbjahr 2024) noch spürbar besser.
Kurzarbeit: Auch der Anteil der Unternehmen mit Kurzarbeit wird größer und lag in den vergangenen sechs Monaten bei 27 Prozent. Für die nächsten sechs Monate ist mit einem Anstieg auf 39 Prozent zu rechnen. Vor einem Jahr meldeten 22 Prozent der Betriebe (2. Halbjahr 2023) sowie 33 Prozent (1. Halbjahr 2024) Kurzarbeit.
Ausbildung: Als stabil erweist sich erfreulicherweise die Ausbildungssituation in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie. Nach wie vor wollen fast drei Viertel der Betriebe (71 Prozent) ihr hohes Engagement unverändert beibehalten (2023/24: 72 Prozent). Allerdings: Gegenwärtig planen nur 11 Prozent der Betriebe eine Ausweitung ihres Ausbildungsplatzangebots (2023/24: 14 Prozent). 18 Prozent wollen weniger Ausbildungsplätze anbieten (2023/24: 14 Prozent).
DIE PRESSEERKLÄRUNG ZUM DOWNLOAD